Verkehr: Zu Lande, zu Wasser und in der Luft

Verkehr: Zu Lande, zu Wasser und in der Luft
Verkehr: Zu Lande, zu Wasser und in der Luft
 
Verkehr — das ist die Überwindung von Entfernungen durch Personen, Güter und Nachrichten. Verkehr ist damit eine Grundlage des menschlichen Zusammenlebens und hat für die wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung der Völker eine ebenso hohe Bedeutung wie die jeweilige Herrschaftsform. Mit der Entfaltung staatlicher Macht war daher von Anfang an immer der Ausbau der Nachrichten- und Verkehrswege verbunden. Mit den verbesserten Möglichkeiten, Entfernungen zurückzulegen, lernten sich verschiedene Kulturkreise kennen, und sie waren die Voraussetzung für eine Arbeitsteilung im Wirtschaftsleben.
 
Die wichtigsten Verkehrsmittel waren in früheren Zeiten Tragetiere, zweirädrige Karren, ab dem 13. Jahrhundert auch vierrädrige Lastwagen, sowie Boote, später auch Schiffe für Fahrten auf Flüssen und auf See. Seit dem Merkantilismus im 17. Jahrhundert, als der Straßenbau Gegenstand von Forschung und Lehre wurde, verbesserten sich die Bedingungen für den Landverkehr. Etwa zur gleichen Zeit gab es Verbesserungen für die Binnenschifffahrt, als zahlreiche Flüsse schiffbar gemacht wurden und als, vor allem in England ab etwa 1750, auch etliche Kanalbauten entstanden.
 
Eine wirkliche Revolution für das Verkehrswesen aber war die Erfindung der Dampfmaschine. Schon 1804 entstand die erste Dampflokomotive, und 1807 fuhr der erste Schaufelraddampfer auf dem Hudson. 1830 wurde die erste reguläre Bahnstrecke Liverpool —Manchester für den Personen- und Güterverkehr in Betrieb genommen. In enormer Geschwindigkeit wurde in den folgenden Jahren überall ein Eisenbahnsystem aufgebaut, besonders schnell in den Vereinigten Staaten von Amerika: Das von Privatleuten finanzierte Eisenbahnnetz wuchs innerhalb von gerade 25 Jahren auf etwa 48 000 Kilometer Länge. Die Eisenbahn ermöglichte ab 1863 die Erschließung des »Wilden Westens« und war etwa zur gleichen Zeit auch die Grundlage der Besiedlung von Sibirien.
 
Noch heute ist die Eisenbahn ein unentbehrlicher Teil des gesamten Verkehrssystems. Es zeigt sich aber eine Spaltung in arme und reiche Länder: Während in den wohlhabenden Ländern die Eisenbahn durch die Konkurrenz von Auto und Flugzeug unter Druck steht, dem man insbesondere mit dem Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken zu begegnen versucht, ist sie in vielen Entwicklungsländern das einzige wirkliche Massenverkehrsmittel, allerdings mangels Kapitals meist in schlechtem Zustand. Dies ist ein Grund für die oft nur sehr begrenzte Leistungsfähigkeit, die geringe Transportgeschwindigkeit und die häufigen Unfälle.
 
Der Bahn den Rang abgelaufen hat heute das Automobil. Wer heute bei uns von »Verkehr« redet, meint fast immer den Autoverkehr. Mit der Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein Verkehrssystem von beeindruckenden Dimensionen entstanden: Allein in Deutschland sind über 42 Millionen Personenkraftwagen und etwa 2,5 Millionen Lastkraftwagen zugelassen, weltweit sind es rund 650 Millionen Kraftfahrzeuge. Die Motorisierung ist aber sehr ungleich: Von allen PKWs weltweit fahren ein Drittel in Nordamerika und etwa 40 Prozent in Europa. Statistisch teilen sich 1,3 US-Amerikaner oder 1,9 Deutsche einen Wagen, in China kommen etwa 130, in Indien rund 190 Personen auf ein Kraftfahrzeug.
 
Die Massen an Autos bewirken auch, dass bei der Betrachtung des Verkehrs in vielen Ländern nicht mehr der unbestreitbare Nutzen, sondern vor allem die Probleme gesehen werden: Jedes Jahr sterben Tausende von Menschen bei Verkehrsunfällen; für den Raumbedarf der ständig wachsenden Anzahl von Autos werden täglich enorme Flächen zubetoniert; die Abgase von Millionen Automotoren sind — trotz katalytischer Reinigung — giftig und haben zerstörerische Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, und selbst das Klima droht durch den Autoverkehr aus den Fugen zu geraten.
 
Enorme Probleme wirft auch der Luftverkehr auf, seit Jahren der am schnellsten wachsende Verkehrssektor. Bei Wachstumsraten von etwa sechs Prozent pro Jahr wurden 1997 im Passagierflugverkehr etwa 2,45 Milliarden Menschen befördert, davon fast die Hälfte in den USA. Im Luftfrachtverkehr gibt es seit Jahren Steigerungsraten um sieben Prozent auf rund 23,3 Millionen Tonnen Fracht (1997). Damit arbeiten viele Flughäfen an den Grenzen ihrer Kapazität, die Zahl der Verspätungen und »Warteschleifen« nimmt von Jahr zu Jahr zu. Immer wieder sind daher Erweiterungen erforderlich, die zum Teil mit ingenieurtechnischen Meisterleistungen einhergehen (zum Beispiel wurde der neue Flughafen von Hongkong auf einer künstlich aufgeschütteten Insel errichtet). Wegen der Lärm- und Abgasbelästigung durch den Flugverkehr sind solche Erweiterungen in vielen Ländern aber immer schwieriger durchzusetzen.
 
Einen wesentlich weniger spektakulären Verkehrsträger, der nur dann in die Schlagzeilen gerät, wenn es zu einer Havarie und möglicherweise zu Umweltschäden gekommen ist, stellt die Schifffahrt dar. Die Bedeutung der zwar langsamen, aber kostengünstigen und umweltfreundlichen Binnenschifffahrt geht seit Jahren zugunsten von Eisenbahn- und LKW-Verkehr zurück, die Ladungsmengen im Seegüterverkehr steigen dagegen, wenn auch nur schwach. Ein immer größerer Teil des Frachtverkehrs entfällt dabei auf wertvolle Industriegüter, der Anteil an Rohstoffen (beispielsweise Rohöl) nimmt ab. Die Zukunft der Schifffahrt dürfte vor allem im privaten Bereich (Kreuzfahrten, Sportschifffahrt) liegen.
 
Dr. Kurt Möser, Mannheim

Universal-Lexikon. 2012.

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